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Über Gold

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„Die weltweite Finanzkrise, in den USA, in Europa hatte zur Folge, dass so viele Kredite vergeben wurden und dass so viel Geld gedruckt wurde, dass viele Leute es vorziehen Gold, Silber oder Platin, irgendeine handfeste Wertanlage in Händen zu halten, mit der sie ihren Besitz sichern können. Während wir uns also hier in diesem isolierten Teil Zentralasiens befinden und das alles hier so weit entfernt vom Rest der Welt wirkt, ist es doch ganz eng verknüpft mit dem was im Moment ökonomisch und finanziell in Europa und Nordamerika abgeht.“ Dr. Robert Moran, Hydrogeologe, Herbst 2011
 
Den Begriff „Blutdiamanten“ kennt fast jeder. Dass der Abbau von Gold ebenfalls problematisch sein kann, scheint bisher weniger bekannt. Dabei hat Goldabbau oft soziale Konflikte und darüber hinaus verheerende Umweltzerstörung zur Folge. 60 % des weltweit geförderten Goldes geht in die Schmuckindustrie. Seit der weltweiten Finanzkrise 2008 erfreut sich Gold aber auch als Wertanlage zunehmender Beliebtheit. Nachfrage und Preise sind in den letzten Jahren beständig gestiegen. Im September 2011 erreichte Gold den historischen Höchstpreis von 1896,50 US-Dollar pro Unze. Die hohen Preise und die gestiegene Nachfrage machen den Abbau von Gold zu einem lukrativen Geschäft. Noch nie wurde weltweit so viel Gold abgebaut wie heute.
 
Industrieller Goldabbau, wie er auch in der Kumtor-Goldmine betrieben wird, basiert auf der sogenannten Zyanid-Laugung. Das Gestein wird dabei mit hohem Wasser- und Energieaufwand zermahlen und mit Zyanid, einem Blausäuresalz getränkt, um so den Goldstaub aus der Erde zu lösen. Neben Gold werden aber auch Schwermetalle, wie Arsen, Uran, Blei oder Schwefel aus der Erde gelöst, unliebsame Abfallprodukte, die als toxischer Abfallschlamm in riesigen Abwasserbecken gelagert werden müssen. Eine potentielle Gefahr für Boden, Luft und die Trinkwasserversorgung, vor allem wenn der Damm eines solchen Abwasserbeckens bricht, wie es im Jahr 2000 im rumänischen Baia Mare passierte. Dort verseuchte der Giftschlamm einer Minenanlage Gewässer in Rumänien und Ungarn. Der Unfall gilt bis heute als eine der größten Umweltkatastrophen Europas seit Tschernobyl. Laut einem Dokument des EU-Parlaments sollen sich in den letzten 25 Jahren 30 schwere Unfälle mit Zyanid ereignet haben. Zu diesen schweren Unfällen wird auch der Zyanid-Unfall im Dorf Barskoon in Kirgistan gezählt bei dem 1,7 Tonnen Natrium-Zyanid durch einen verunglückten LKW in den Fluss des Dorfes gelangten. Im Mai 2010 empfahl das EU-Parlament ein europaweites Verbot von Zyanid in der Minenindustrie. Ein Verbot steht nach wie vor aus. Zyanid wird unter anderem von der Firma CyPlus, einer Tochterfirma der Evonik Degussa GmbH in Köln-Wesseling produziert.
 
NACHHALTIGER GOLDKONSUM
 
Gold ist ein Metall, das ohne Wertverlust unendlich oft wieder eingeschmolzen werden kann. Es eignet sich deshalb ideal für das Recycling. In vielen Elektronikgeräten, wie Computern oder Handys wird neben anderen Metallen auch Gold verarbeitet. Das fachgerechte Recycling von Elektroschrott wirft pro Tonne 350 Gramm Gold ab. Diese Art von Ressourcengewinnung wird unter dem Stichwort „Urban Mining“ in den letzten Jahren immer mehr diskutiert. Eine der größten „Urban Mines“ weltweit liegt in Hoboken/Belgien. Dort recycelt die Firma Umicore Elektroschrott und gewinnt daraus Metalle wie Gold, Silber, Kupfer oder Palladium. Im Jahr 2010 hat die Firma 25 Tonnen Gold produziert. Doch in Europa werden bisher nur 10- 15 Prozent des Potentials genutzt das in elektronischen Geräten zum Recycling von Gold steckt. Der meiste Elektroschrott wandert immer noch in die Mülltonne und damit auf eine Deponie oder landet auf illegalen Wegen in Ländern wie Indien, Ghana oder China wo der Elektroschrott, ohne jegliche Schutzvorkehrungen für Menschen und Umwelt, eingeschmolzen wird, um so an die darin enthaltenen Metalle heranzukommen.
 
In der Schmuckbranche scheint ganz langsam ein Umdenken einzusetzen. Immer mehr Goldschmiede bieten an, das Altgold ihrer Kunden einzu- schmelzen und zu neuem Schmuck zu verarbeiten. Das Einschmelzen von Altgold ist im Bereich Schmuck sicherlich die nachhaltigste Variante weil dafür überhaupt kein Bergbau betrieben werden muss. Darüber hinaus gibt es mittlerweile aber auch Goldminen, die versuchen sich mit „grünem Gold“ auf dem Markt zu positionieren. 
 
DIE SITUATION IN KIRGISTAN
 
Wir befinden uns in einer Permafrostzone an der Grenze zu China. Hier im Tienshan-Gebirge liegt die siebtgrößte Goldmine der Welt. In 4000 Meter Höhe bauen 2500 Arbeiter inmitten einer Gletscherzone Gold ab. Größter Anteilseigner ist mit 77,3 % die kanadische Bergbaufirma Centerra Gold, die über ihre Tochterfirma Kumtor Operating Company die Goldmine betreibt. Der kirgisische Staat hält bisher 33,7 % Aktienanteile. Nach offiziellen Angaben betrug der Output der Mine bis Ende 2011 264 Tonnen Gold. Weitere große Goldvorkommen werden unterhalb der Gletscher vermutet. In dem seit dem Ende der Sowjetunion bitterarmen Kirgistan macht die Kumtor-Mine 10-13 % der jährlichen Wirtschaftsleistung aus, sorgt für 15 % der Steuereinnahmen und stellt 45 % der Exporte. Abgebaut wird das Gold im industriellen Tagebau. Dazu werden täglich tausende Tonnen Erde bewegt, zermahlen und mit Zyanid, einem Blausäuresalz getränkt, um den Goldstaub aus der Erde zu lösen. Pro Jahr werden dafür 3650 Tonnen Zyanid benötigt, das in LKWs entlang des zweitgrößten Gebirgssees der Welt und auf den unbefestigten Passstraßen des Gebirges zur Mine transportiert werden. Gelangt Zyanid ins Wasser, können bereits geringe Konzentrationen tödlich für Wasserorganismen und Tiere sein. Geringe Konzentrationen von Zyanid im Wasser über einen längeren Zeitraum können auch auf Menschen negative Gesundheitsauswirkungen haben. Das Giftschlammbecken, das die Rückstände der Goldproduktion aufnimmt, fasst 60 Mio. Kubikliter. Im Sommer, wenn die Permafrostböden auftauen, bewegt sich der Damm des Beckens und bekommt immer wieder Risse. Oberhalb der Goldmine liegt der Petrov-See. Durch das starke Abschmelzen der Gletscher droht der See zu „explodieren“ und sich in die Goldmine und das Giftschlammbecken zu ergießen. Das Risiko dafür wird durch die Lage in einem Erdbebengebiet zusätzlich erhöht. Eine Giftkatastrophe weit größeren Ausmaßes als die in der Goldmine im rumänischen Baia Mare könnte die Folge sein.
 
Seit Ende der Dreharbeiten verschärfte sich der politische Machtkampf um die Mine weiter. Nationalisten im Parlament fordern die Verstaatlichung der Mine. Die Kanadier jedoch bestehen auf einem Anteil von mindestens 50 % an der Kumtor-Mine. Im Herbst 2012 und Mai 2013 kam es zu großen Demonstrationen, auf denen die Verstaatlichung gefordert wurde. Demonstranten auf Pferden griffen gar eine Elektrostation an und drehten der Mine den Strom ab. Die Situation bleibt weiterhin angespannt.
 
Weiterführende Informationen: Schwarzbuch Gold. Gewinner und Verlierer im neuen Goldrausch, Brigit- te Reisenberger, Thomas Seifert, 2011 Deuticke Verlag